Edward Clydesdale Thomson
Das Trauma steigt aus
dem Dreck empor
Das kleine Boot hängt an einer Kette. Ein einfaches, plattes Fischerboot für ein oder zwei Personen. Auf der Voltadelta von Ghana sieht man sie fahren. So ein Boot, das es schon Jahrzehnte gibt und sich über die ganze Welt ausbreitete. Menschen, die früher nach Amerika transportiert wurden und da zur Sklaverei gezwungen wurden, nahmen ihre Kenntnis über Bootsbau mit und so sind diese Boote auch immer noch in Amerika zu sehen. Das Boot hängt an einer Kette über dem Prins Hendrikdok. Das Boot wird zu Wasser gelassen, sinkt und wird wieder hochgezogen. Den ganzen Tag lang unter Wasser und wieder hoch.
Künstler Edward Clydesdale Thomson hat in den letzten Jahren einen Faible für Boote. Das Kunstwerk welches er für Middelburg machte, ist der dritte Teil einer Trilogie. In Dordrecht wird der erste Teil realisiert: ein großer Tjalk, der im Herbst d.J. durch die Straßen der Stadt gezogen werden soll. Da die Straßen zu eng sind bzw. das Fahrzeug zu breit, brechen unterwegs Stücke davon ab. Das Projekt verweist auf die wichtige soziale Rolle der Binnenschifffahrt und hat in Dordrecht für einiges Aufsehen gesorgt.
Der zweite Teil der Trilogie ist virtuell. Bei diesem Projekt dient die Romantik eines einsamen Seglers auf See als Rahmengeschichte wobei Fragen über Klima, das Wetter, Verschmutzung, Data, Geschichte und Beharrlichkeit untersucht werden. Es erzählt die Geschichte von Bas Jan Adler, der Niederländische Konzeptkünstler, der 1975 in einem kleinen Segelboot von Cape Cod in Amerika nach Groningen segeln wollte. Sein Boot wurde wiedergefunden, er nicht. Unter Verwendung von live Wetterdaten und Simulationstechniken wird eine online Ozean-Welt geschaffen, in welcher der Betrachter dem kleinen Boot unter aktuellen Umständen live folgen kann.
Dann haben wir also Nummer drei in Middelburg. ‚spellbound‘ heißt das Werk, ‚bezaubert‘. Edward Thomson: „Das Werk steht in Verbindung mit der dunklen Seite der Middelburger Geschichte, der Sklaverei. Ich wollte ein Werk schaffen mit Fischerboten, die in diesem Zusammenhang nie gezeigt wurden. Als ich auf das Wasser im Dock schaute, fiel mir auf, wie dreckig es ist. Das brachte mich auf das Thema „Freiheit von Angst“. Das dreckige Dock mit seiner belasteten Sklaverei Geschichte betrachte ich als ein Trauma.
Das kleine Boot wurde in Dordrecht von Mitarbeitern aus seinem Künstlerstudio und lokalen freiwilligen Helfern gebaut. Die Zusammenarbeit, die gemeinschaftliche Aktivität ist für den Künstler Teil des Kunstprojekts.
Thomson: “Das Boot wird aus lokalem Eschenholz gemacht. Ich wollte kein Holz importieren. Wir arbeiten nach Fotos und Illustrationen. Während unserer Nachforschungen fanden wir hunderte verschiedene Arten von Segelschiffen, aber keine Bauzeichnungen von dem kleinen lokalen Ghanaischen Fischerboot. Wir bemühen uns, so akkurat wie möglich zu arbeiten und das typische Fischerboot so originalgetreu wie möglich nachzubauen. Das kleine Boot ist umschlungen von einer großen Kette, die mit Knoten inspiriert von Bondage-Kunst festgebunden ist. Die Knoten dieser Kunstform werden hier nicht für Menschen gebraucht, sondern um ein kleines Boot in einem erstickenden Griff balancieren zu lassen. Das Boot sinkt durch das Gewicht der Kette und den Löchern im Boden. Wenn das Boot hochgezogen wird, strömt das Wasser raus. Dann sieht es aus wie eine Fontaine“.
“Sicher”, sagt er, “das Geräusch dieses Kunstwerkes ist wichtig. Den Motor, der das Boot sinken lässt und wieder hochzieht halten wir so still wie möglich. Man hört die Kette, das Wasser blubbern wenn das Boot sinkt, man hört das Wasser aus dem Boot strömen, wenn es langsam hochgezogen wird“. „Mein Werk geht oft über Zeit und Raum hinweg. Ich probiere bestimmte Geschichte in die Gegenwart zu bringen. Das geschieht jetzt auch in Middelburg“.
Edward Clydesdale Thomson (United Kingdom, 1982) ist ein Schottisch-Dänischer Künstler, der in Rotterdam wohnt und arbeitet. Er machte seinen Master in Fine Art-Programma an dem Piet Zwart Instituut in Rotterdam und seinen Bachelor of Architecture-Programma an der Glasgow School of Art. Er war ‚artist in residence‘ bei dem internationalen Künstlerprogramm laspis in Stockholm, dem Irish Museum of Modern Art in Dublin und der Rijksakademie van Beeldende Kunsten in Amsterdam. 2019 errichtete er sein eigenes Studio und arbeitet seitdem zusammen mit seinem Team an verschiedenen Projekten, sowohl in Auftrag als auch auf Eigeninitiative. Edward Thomson studierte in Rotterdam. Sein Plan war 2 Jahre zubleiben. Rotterdam schien eine gute Umgebung für junge Künstler zu sein. Der Schottisch-Dänische Künstler – Dänische Mutter, Schottischer Vater – blieb. Er hat sich mit Filmen und Kunstwerken über durch Menschen gezähmte Natur einen Namen gemacht.