Warre Mulder
Der Hund ist ein
blinder Passagier
Bearbeiten Sie mal 600 kg Ton, um daraus die Form eines liegenden Hundes zu modellieren. Ich darf sagen, das ist körperliche Schwerstarbeit. Warre Mulder schwitzt da jetzt noch von. “Es war eine Entdeckungsreise”, sagt er. Ich musste mit einer Holzlatte dagegen schlagen, um die richtige Form hinzubekommen”.
Jetzt treibt der Hund in dem runden Teich des Molenwaterparks in einem Korb von 1,80 m Durchmesser. Es liegen Äpfel in dem Korb. ‘Stowaway Nehalennia’s dog’ – ‘Blinder Passagier Nehalennia’s Hund’ – heißt das Werk. Hund, Korb, Äpfel: Wir kennen die in Domburg und Colijnsplaat aufgetauchten Altare der einheimischen Göttin Nehalennia. In der Römischen Zeit wurde sie als Schutzheilige oft mit einem Früchtekorb auf ihrem Schoss und einem Hund zu ihren Füßen abgebildet. Händler schenkten nach einer sicheren Überfahrt nach England die Altare an den ihr geweihten Tempel. Das war im zweiten und dritten Jahrhundert n.Ch. Warre Mulder: “Der Hund steht Symbol für Treue. Man kann auch an den ergebenen Bürger denken, der dem Staat vertraut. Der Korb mit Äpfeln steht für Reichtum. Der Hund liegt in meinem Werk ein bisschen wie ein blinder Passagier zwischen den Äpfeln. als wäre eine Katastrophe passiert und das Tier hat sich auf das Floss retten können. Ich habe für mich bedeutungsvolle Elemente zugefügt, so wie das Kartenhaus, das man hinter dem Hund sieht”.
Wie er auf die Idee für sein Werk kam: “Ich habe die Altarstücke von Nehalennia im Zeeuwse Museum gesehen. Es ist traurig, dass eine Schutzheilige für Meeresgesang selbst unter Wasser verschwunden ist. Das ist doch die Zeeländische Geschichte, unter Wasser, über Wasser. Von diesem Gedanken bin ich ausgegangen. Das Thema von Façade ist “Freiheit von Angst”, dass man als Bürger Angst los am Wasser leben kann. Das fand ich ein gutes Thema. Als ich 2015 mit meiner Familie von Antwerpen nach Zeeuws-Vlaanderen – Hengstdijk – zog, bekam ich von den Belgiern zu hören: ‘nicht dass da mal wieder alles überflutet’. Die Angst hängt uns noch im Nacken und so kommt man zu Nehalennia, die meisten Menschen vertrauen der Regierung mit all ihren Deltaplänen, und doch waren letztes Jahr Überflutungen in Limburg und Wallonië”.
Die Eltern von Warre Mulder sind Niederländer, die in den zwanziger Jahren in Antwerpen wohnten. Warre wurde in Borgerhout geboren. Jetzt wohnt er genau wie seine Eltern in Zeeuws-Vlaanderen. Ein Niederländischer Belgier? Ein Belgischer Niederländer? “Egal” sagt er. “Mittlerweile fühle ich mich hier in Zeeuws-Vlaanderen zuhause. Die alte Dorfschule, in der wir wohnen und die Umgebung sind inspirierend”. Als Künstler arbeitet er viel mit Holz und Keramik. Er macht farbreiche Bilder, die aus einer absurden Welt zu stammen scheinen: Fabelwesen, Menschenbilder, Tiere, Pflanzen oder Objekte. Es sind Hybrid-Skulpturen, die so ein bisschen was von Archetypen, Ahnenbildern, Wachen, Boten haben.
Da er nicht viele Werke für die öffentlichen Räume gemacht hat, war der Auftrag von Façade eine Herausforderung. Das ganze Objekt ist aus Kunststoff gemacht, welches in einer Silikonform gegossen wurde. Die äußere Schicht ist transparent. Warre Mulder: “Absichtlich durchsichtig. Hier bei Walsoorden gibt es einen Strand an dem viel Material angespült wird: Austernmuscheln, Scherben und komplette Backsteine. Dieses Material habe ich in der äußeren Schicht mitgegossen. Mit den Fossilen und Steinen am Rand hat das Bild eine marmorähnliche oder granitähnliche Ausstrahlung. Anders als ein Altar von Nehalennia, aber doch in diesem Ambiente. Ich gebe mich nicht alleine mit dem Porträtieren einer Idee zufrieden, darum habe ich keinen realistischen Hund gemacht. Es ist ein Hund, der echt aus meinen Händen entstanden ist”.
Warre Mulder (Borgerhout, 1984) machte 2008 seinen Master in Fine Arts an der Sint Lucas van de Karel de Grote Hogeschool in Antwerpen. 2015 zog er mit seiner Familie von Antwerpen nach Hengstdijk in Zeeuws-Vlaanderen, wo er in einer früheren Dorfschule wohnt und arbeitet. Seine Arbeit bezieht sich auf den Modernismus, Popkultur, auf griechische und afrikanische Masken. In den letzten Jahren waren seine Werke in Zeeland und Belgien ausgestellt und u. a. in Rotterdam, Amsterdam, Colchester, Wien und Kopenhagen. Seit 2009 unterrichtet er im Teilzeitunterricht in Belgien, seit 2014 ist er Dozent an der Akademie van Hoogstraten.