Leonard van Munster
Wenn Du der letzte bist
der gefilmt wird
Leonard van Munster verkündet es des Öfteren: ‘der öffentliche Raum ist meine Galerie‘. Große, nicht zu übersehende Kunstwerke und Installationen auf Plätzen, in Teichen, auf Dächern, in Parks oder unter Viadukten. Oft in den Niederlanden aber auch in Deutschland, Russland, Kolumbien und den Vereinigten Staaten. Das ist schon seit 1996 so, seit dem Jahr in welchem er seine Ausbildung an der Rietveld Academie in Amsterdam beendete. Jetzt hat er zum ersten Mal ein Werk für Zeeland gemacht. Façade bringt ihn auf den Vismarkt, einen der intimen kleinen Plätze von Middelburg.
Wir sprechen mit dem Künstler an einem Tag, an dem er seine neue Arbeits- und Experimentierstätte am Rand von Amsterdam voll und ganz genießt. Zwischen dem Naturgebiet Spaarnwoude wo Wildpferde und Schottische Hochländer grasen und einem Gelände mit Öltanks und Schrottplätzen hat er ein Stück Land von der Gemeinde Amsterdam gepachtet. Darüber ließ er eine Glasglocke bauen, ein Treibhaus von 40 x 12 Metern und 7 Meter hoch. „So hole ich den öffentlichen Raum in mein Atelier“, sagt Van Munster. Das Projekt heißt Biotop 2.0. „Es ist Ausstellung und Experimentierstätte in einem. Das Biotop, das entsteht wird ein Kunstwerk an sich. Gras und Blumen blühen darin und reagieren auf die Jahreszeiten. So, wie alle ausgestellten Kunstwerke auf das veränderte Zusammenleben reagieren“.
Statements hinterlassen, eine Vision auf das, was in der Gesellschaft passiert, das tut er öfters. Sowie 2015 mit der gekenterten Motorjacht Fortuna auf dem Mahlerplein pal vor der Amsterdamer Hauptfiliale von ABN Amro. Die in 2008 begonnene Wirtschaftskrise ging zu Ende und die Aussichten wurden langsam besser. Die Motorjacht symbolisierte genau den Zustand: Gestrandet, aber in der Lange weiterzufahren, sobald die Umstände es zuließen.
Auch in Middelburg wird Van Munter einen Eindruck hinterlassen. Inspiriert von dem Thema ‚ Freiheit von Angst‘ entwarf er für den Vismarkt mit dem Titel ‚Ultimate Truth‘ eine Roboterähnliche Maschine in einem Garten, den man den Garten von Eden nennen kann. Die Maschine kann ihre Umgebung mit Radars scannen: „Der Apparat kann sehen, wer vorbei läuft, er kann Personen folgen, irritiert werden durch jemanden. Die Maschine scheint lebendig geworden zu sein und selbst nachdenken zu können”. Der Künstler findet seinen durch eine Maschine gesicherten Garten perfekt in die heutige Zeit passen: „Wir wollen für unser Sicherheitsgefühl alles registrieren, speichern und beobachten. Die technischen Entwicklungen sind schneller als die Gesellschaftliche Debatte über die Ethik dieser Sache, wir können die Entwicklung beinahe nicht mehr stoppen. Durch Drohnen wird Krieg für die Armee ein Computerspiel. Es ist schon fast so, dass Roboter an der Grenze entscheiden, ob man Freund oder Feind ist. Es liegt ethisch etwas sehr Schweres darin. Stellen Sie sich vor, es geschieht ein Verbrechen auf einem Platz und Sie sind der letzte, der gefilmt wird“. Die Installation handelt von der Zeit in der wir leben. Das Werk ‚Ultimate truth‘ fühlt sich beklemmend an, während Kinder mit dem Apparat unbefangen ‚Fangen‘ spielen.
Leonard Van Munster macht meistens vorübergehende Kunstwerke. Nach der Vernichtung bleibt ihm dann nur ein Foto als Erinnerung. „Heutzutage ist vorübergehend das Zauberwort. Aber so bekommt Kunst wenig Chance um Kunstgeschichte zu schreiben. Dass die meisten Werke vernichtet werden, machte mir früher nichts aus. „Jetzt ist das anders. Das Foto eines Werkes ist doch was ganz anderes als seine echte Erfahrung“.
Leonard van Munster (Zwolle, 1972) wurde international bekannt durch seine ortsgebundenen Werke in öffentlichen Räumen. 1996 beendete er seine Ausbildung an der Amsterdamer Rietveld Akademie. Eines seiner bekanntesten Werke ist ‚Fata Morgana‘ (2008) unter einem Viadukt an der A10 in Amsterdam, aus Kunststoff gemacht und umgeben von einem Stahlheck. Das Werk wurde auf der kürzlich zusammengestellten nationalen Liste von ‚Hundert Schlüsselwerke in öffentlichen Räumen 1945 – bis heute‘ aufgenommen. Die Gemeinde Amsterdam überlegt schon seit 2008 den Unterhalt dieses Werkes zu finanzieren.