Anne-Marie van Sprang
Bei einer Unebenheit
nimmt das Bild mehr Raum ein
Während der vergangenen Ausgabe von Facade 2017 stand das Bild von Anne-Marie van Sprang spiegelnd in dem halbrunden Prins Hendrikdok am Dam in Middelburg. Jetzt ist ‚To Reflect‘ wieder dabei. Allerdings steht es diesmal an der Herengracht.
Warum das Bild wieder genommen wird? Anne-Marie van Sprang: „Das Bild ist 2017 entstanden anlässlich des Themas ‚face your freedom‘‘, das Spiegeln der Freiheit in der wir leben. Das war damals dringend und erscheint mir jetzt noch dringender. 2017 stand der Mensch zentral, es ging darum, aus Verletzlichkeit eine Kraft zu machen. Das bezwecke ich mit allen meinen Werken. Die vier Freiheiten haben für mich viel miteinander gemein, glücklicherweise mein ganzes Leben lang schon.
Sowie Frits de Coninck für Facade 2017 das Werk beschreibt ist nach Anne-Marie van Sprang eine treffende Beschreibung von dem, was sie mit ihrem Werk bezweckt: ‚Das Bild To Reflect lässt sich schwer begrenzen. Genau genommen gibt es keine Scheidung zwischen Bild und Spiegelbild. Ein Bild das To Reflect heißt kann nicht bestehen ohne sein Spiegelbild. Die zwei fließen ineinander über. Genauso offensichtlich bewegt sich das Bild mit lockerer Leichtigkeit zwischen Skulptur und Zeichnung. Die elegante hieratische Menschengestalt ist abstrahiert zu einer schneidigen Linie, die sich in den Raum hinein schlingert. Das Bild ist mehr Linie als Volumen, mehr Idee als echte Masse. Es scheint sich der Schwerkraft zu entziehen. Es scheint sich von dem zu sehr Irdischen zu lösen, um als Idee weiter zu leben. Das zeichnungsartige Bild ist eine Form, die Idee wird.
Was wir sehen ist eine Menschengestalt mit zierlich schlingernden Armen. In jeder Hand wird ein Spiegel gehalten. Der eine ist auf die Außenwelt gerichtet. In dem anderen sieht das Bild sich selbst: „nicht in dem Sinne von ‚wer ist die Schönste im ganzen Land‘, sondern mehr als Konfrontation. Es ist ein bildlicher Spiegel. Die Figur denkt über sich selbst nach. Man sieht das bei Sportlern, die viel mit Körper und Geist beschäftigt sind. Bevor sie sich ein Urteil erlauben konzentrieren sie sich. Sie werfen nicht einfach etwas in den Raum. Sie kennen sich selbst. Und wenn man sich selbst besser kennenlernt, dann wird man von selber milder. Selbstkenntnis sorgt für mehr Nuancen.
Die abstrahierte Menschenfigur – 2,25 m hoch und 1,60 m breit – ist in Bronze gegossen.
Da es weiß patiniert ist und Anne-Marie viel mit Porzellan arbeitet, stellte man ihr öfters die Frage, ob das Bild aus Porzellan gemacht sei. „Ja auch Leute die Ahnung haben dachten das. Aber das wäre bei diesem Format gar nicht gegangen. Porzellan hat einen wahnsinnig eigenen Charakter. Man fängt frohen Mutes an und nach ein paar Stunden merkt man, oh ja, das Porzellan will auch etwas. Sowas passiert mir mit keinem anderen Material. Im Ofen gedeiht es in alle Richtungen, übertrieben gesagt ist es, als würde das Porzellan flüssig werden.
Durch die Form und die weiße Farbe hat die Künstlerin das Gefühl, dass das Facadebild trotz des großen Formats doch viele Übereinstimmungen mit den Arbeiten hat, die meistens aus ihrem Atelier kommen. Sie sagt: „Ich mache viele Porzellanbilder, die nicht größer sind als eine Hand. Wenn man eintritt sieht man etwas, aber man erkennt nicht, was es ist. Es gibt sich nicht direkt preis. Mit diesem Bild ist es genauso. Auf Abstand sieht man nicht, was es darstellt. Erst wenn man sich ihm langsam und bedacht nähert und einen Schritt auf der Stelle macht, lässt es sich lesen.
Über die Wiederausstellung des Bildes sagt sie: „Das Dok war ein fantastischer Platz. Wie es in der Herengracht wird, weiß ich nicht. Das wird sich zeigen, wenn das Bild da steht und ich dort rumlaufen kann. Was ich nie im Voraus hätte einschätzen können ist, dass Menschen das Bild noch sahen, als es schon vom Dok weg war. Nicht, dass das praktisch ist für einen Künstler, aber es ist das Schönste, was passieren kann, dass ein Bild Eindruck macht und Menschen es in Erinnerung behalten. Ich hoffe, dass das wieder geschieht in der Herengracht und dass es dort stehen bleiben kann, wenn es ein Erfolg zu sein scheint.
Da der Wasserspiegel in der Gracht rund 20 cm variiert, steht das Bild auf einem zweiten umgekehrten Fuß. Dadurch scheint es, als wäre ein Bild unter Wasser, das das andere über Wasser hält. Das Wasser ist wesentlich für das Ganze, der Titel heißt nicht umsonst ‚To Reflect‘: „Wenn das Wasser Wellen schlägt, nimmt das Bild mehr Raum ein. Bei Windstille bekommt man eine ganz andere Spiegelung. Ein weißes Bild kann nichts verschleiern. Abhängig vom Licht gibt es harte oder sachte Schatten, die das Bild vorübergehend bezeichnen.
Anne-Marie van Sprang (Utrecht, 1960) wohnt und arbeitet in Middelburg. Sie wurde ausgebildet an der Akademie für Kunst und Industrie – jetzt ArtEZ – in Enschede (1983-1986) und an der Van Eyck Akademie in Maastricht (1986-1988). Sie stellt national und international aus, von Middelburg nach Den Haag, Amsterdam, Utrecht, Venlo en Leeuwarden, aber auch in dem internationalen Museum of Ceramics im italienischen Faenza und während der International Ceramic Biennale in Korea. Werke von ihr sind aufgenommen in den Kollektionen von unter anderem het Princessehof Nationaal Keramiek Museaum Leeuwarden, Museum Beelden aan Zee Den Haag en het European Ceramic Workcentre in Den Bosch.