Tanja Smeets
Die Knollen wachsen
und mutieren
Wuchern ist vielleicht das bessere Wort, um das Werk von Tanja Smeets zu beschreiben. Wachsen geht auch aber wuchern ist intensiver. Tanja Smeets: „Für mich hat wuchern keine negative Ladung. Es zeigt nur, dass etwas eine andere Form annehmen kann, transformieren und sich erneuern kann“. Während der dritten Ausgabe von Façade sucht sie Zuflucht an dem stillen Kuiperspoort. Dort wachsen graue Knollen dreieinhalb Meter über den Köpfen der Zuschauer. So natürlich, als hätte hier die Natur die Regie übernommen.
Der schmale Durchgang am Kuiperspoort erregte sofort ihre Aufmerksamkeit. „Sehr besonders“, sagt sie über diesen Ort. Und deshalb auch sehr geeignet, ein neues Kunstwerk dort wachsen zu lassen. „Die Länge des Durchgangs erstreckt sich auf 2,24 bis 2,40 Meter Breite. Wenn man durch das Tor läuft, sieht man die Rückseiten der historischen Gebäude. Der Kuiperspoort ist ein Punkt, wo man sich verlieren kann, immer wieder kommt man in einer anderen Welt zurecht. Das ist faszinierend“.
Nach der weiterführenden Schule hat Tanja Smeets für kurze Zeit Niederländisch studiert. Sie wollte gerne Fiktion schreiben. Doch vermisste sie während dieses Studiums die Möglichkeit mit echtem, tastbarem Material zu arbeiten. Letztendlich wechselte sie zur Kunstakademie in Arnhem und machte eine Ausbildung zur Malerin. „Malen reichte nicht aus. Alles was ich malte wuchs sozusagen aus meinen Gemälden heraus. Jetzt benutze ich öffentliche Räume als Leinwand.
Tanja Smeets macht ziemlich große Werke, die eindringlich in den Raum eingreifen. Wie Parasiten bahnen sie sich einen Weg und legen eine poetische Schicht organischer Formen auf den harten Untergrund. Ihre Bilder sind üppige Korallen, die aus den Wänden oder dem Boden hervortreten. Sie fließen und tropfen, sie wachsen und sie mutieren, sie infiltrieren und kriechen in die Haut der Architektur. Es ist ein organisch gewachsenes Ganzes, nicht von Menschenhand gemacht, das eins wird mit seiner Umgebung.
‘Unter dem Pflaster brodeln die Wurzeln‘ so heißt das Werk, welches sie dieses Jahr in der Kunsthalle Kade in Amersfoort gemacht hat. Das findet sie einen passenden Titel, der sich auf vieles bezieht, was sie macht. „Unter der Haut findet ein Prozess statt. Das fasziniert mich. Haut ist ein sehr wichtiger Bestandteil in meinen Werken. Und Haut macht neugierig, prickelt. Gleichzeitig vermittelt die Schicht unter der Haut etwas Unheimliches. Man betrachtet das Kunstwerk und hat das Gefühl darin verweilen zu wollen. Aber es gibt auch Kontraste, Verwirrungen, Unsicherheiten, die dafür sorgen, dass man bei näherer Betrachtung doch wieder zweifelt“.
Tanja Smeets arbeitet mit alltäglichen Dingen. Blattfänger, Bratsiebe, Löffel und Kaffeetassen – Objekte aus dem Küchenschrank – multiplizieren sich in ihrer Arbeit zu pflanzenähnlichen Formen. Gerade die normalen Dinge vermitteln einem das Gefühl, dass so eine Struktur wirklich überall wachsen kann.
Für ihr Werk am Kuiperspoort benutzt sie graue Blattfänger. In gut drei Metern Höhe formen sie eine Struktur von grauen Knollen in der Luft, die vom Dam aus sichtbar sind. „Die Knollen sehen stachelig aus. Sie wecken Assoziationen zum Meer, zur Unterwassertierwelt. Bei genauerer Betrachtung ist es als würden sie aus den Wänden wachsen, sie verwachsen mit dem Platz. Als ich darum gebeten wurde, von dem Thema „Freiheit von Angst“ auszugehen, fiel mir das schwer. Wir waren noch in der Corona-Zeit. Jetzt ist noch die Ukraine dazugekommen. Das finde ich komplex. Mit meinem Werk suche ich die Verbindung. Meine Knollen sind durch das Wachstum miteinander verbunden. Ich betrachte Verbindung als ein starkes Gegenstück zu Angst“.
Tanja Smeets (Wijchen, 1963) wohnt und arbeitet in Utrecht. Sie hat 1991 ihr Studium an der ArtEZ Hochschule für Kunst in Arnheim abgerundet. Ihre Werke sind in zahlreichen Museen und Galerien ausgestellt, u.a. im Henan Museum in Chinese Zhenghou, im Textil Museum in Tilburg, im Centraal Museum in Utrecht, Museum Boijmans van Breuningen in Rotterdam, The Gyonggi International Ceramics Biennale, Icheon in Süd-Korea und das Museum of Arts and Design in New York. 2017-2018 nahm sie in Miami an dem CAP-Progamm des Museums Vizcaya teil und entwickelte ein Werk für die Räumlichkeiten des Museums. Sie machte permanente Werke für u.a. das Centraal Museum in Utrecht, DIFFER (Dutch Institute of Fundamental Energy Research), für das KF Heinfonds in Utrecht, und Enexis in Zwolle. Werke von Tanja Smeets sind in öffentlichen Räumen von Apeldoorn, Barendrecht und Deventer zu bewundern.